Archiv für den Monat: September 2017

Peter und seine Flatmates Teil 2

Peter und Kimberly kommen wieder zusammen

Also um eins vorweg zu nehmen, eigentlich war unser Ziel hier in Blenheim zu überwintern und sich gegen die Langeweile etwas Arbeit zu suchen. Wir haben absolut nicht damit gerechnet, dass wir in dieser Zeit groß was erleben und hätten nichts dagegen gehabt, darauf zu verzichten. Aber es kommt wie es kommt…

Im letzten Beitrag über unsere Arbeit haben wir ja schon berichtet, dass Peter nach seinem Housesitting im Krankenhaus lag, eine Schädelfraktur, Schulterfraktur, sowie angebrochene Knochen an Hand und Arm hatte. Das erfuhren wir durch die Textnachricht, was jedoch passiert war, wussten wir bis dahin nicht.

Ich knüpfe vielleicht besser direkt an. Nachdem Peter ja mit Kimberly Schluss gemacht hat und den darauffolgenden Abend, ein Samstag, die Trulla aus dem Maklerbüro bezirzt hatte, war es schon ein wenig komisch, am Dienstag darauf Peter zu sehen, der mit Kimberly hereinspaziert kam. Sie setzten sich kurz ins Wohnzimmer um ihr Takeaway von McDoof zu essen, anschließend verschwanden beide in Peters Zimmer. Ich vermute, sie haben sich ausgesprochen. Sie ging auch nach ein paar Stunden nach Hause.

Dann kam der Donnerstag und wie gesagt, sagte uns Peter, dass wir heute Sturmfrei haben, da er auf ein Haus aufpassen soll etc. Dann am Freitag die SMS, dass er mit den Brüchen im Krankenhaus liegt. Er wurde dann aber auch am darauffolgenden Tag entlassen und entschied sich wegen seiner Einschränkungen erst mal bei Mutti, ein paar Straßen weiter, zu bleiben. Diese kam dann auch die Tage danach vorbei und brachte uns Feuerholz, da Peter ihr sagte, es würde wahrscheinlich bald ausgehen. Von ihr erfuhren wir auf Nachfrage, dass er einen Balkon hinunter gefallen war. Wir dachten: entweder es war glatt/glitschig oder er war besoffen, naja oder beides… Nach ca. ner Woche (ja wir hatten das Haus komplett für uns allein) kam er uns dann abends „besuchen“ (ist ja sein Haus, aber er kam halt nur kurz vorbei), um uns zu sagen, dass er ab morgen wieder zurück in sein Haus kommen würde. Er hatte den Arm in der Schlinge und erzählte auch, dass er starke Schmerzmittel und Schlafmittel nehmen müsse (wegen der Schädelfraktur) und sah auch sehr mitgenommen aus. Natürlich stellten wir dann auch irgendwann die Frage:

Was zum Geier ist eigentlich passiert?

Peter erzählte, dass er und Kimberly in dem Haus des Freundes waren, wo es eine Art von Balkon gab. Diese Brüstung war wohl an sich nicht gerade hoch, etwa bis knapp unter die Hüfte. Dort stand er wohl nicht mehr ganz nüchtern und rauchte. Kimberly hatte in Peters Handy geschnüffelt und Nachrichten von Brenda entdeckt, ihr wisst schon, die Schnalle aus dem Maklerbüro. Jedenfalls war Kimberly überhaupt nicht erfreut zu sehen, dass er mit einer Brenda schrieb und lief zu ihm und schubste (!) ihn mit den Worten: Wer zum Teufel ist Brenda? Der Schubs war wohl nicht mit der Absicht dahinter, ihn wirklich da runter zu schubsen, sondern schätzte er es eher so ein, dass sie einfach super eifersüchtig war und ihr Temperament mit ihr durchgegangen ist. Peter war so überrascht darüber, dass er sein Gleichgewicht nicht halten konnte und 4 Meter tief runter auf Beton fiel. Nun ja, auch wenn dies nicht absichtlich war, sie hatte ihn geschubst.

Da Kimberly sich allerdings bei der Polizei bewerben wollte, redete sie auf Peter ein, nicht zu sagen, dass sie ihn geschubst hat. Wie auch immer, der Sanitäter hats wohl mitbekommen. Um kurz noch die Eifersucht von ihr zu erklären: Peter hatte sie wohl ein paar Wochen zuvor betrogen, was auch der Grund für die Trennung war. Wahrscheinlich haben wir das schon geschrieben, aber nur nochmal zum vollständigen Bild. Wie auch immer, Peter sagte, er wolle sie nicht anzeigen, da er nicht den Eindruck hatte, dass sie das Ziel hatte ihn vom Balkon zu schubsen, sondern, dass sie dies nicht bedacht hatte, dass er über die Brüstung fallen könnte. Er wollte ihr keine Schwierigkeiten für ihre Zukunftspläne bereiten. Das war seine Begründung. Als er wieder zurück im Haus war zog zwei Tage später eine weitere Mitbewohnerin aus Tschechien bei uns ein: Olga. Wir hatten bereits unsere erste Arbeitswoche hinter uns. Auch Olga hatte frisch einen Job auf dem Weinfeld angefangen.

Rückkehr im Haus nach dem Unfall

Nach dem Unfall blieb Peter, wie gesagt, ne Woche bei seiner Mutti. Er sagte, er war sehr sauer auf Kimberly und wollte Abstand. Als er dann wieder im Haus zurück war, war sie jeden Tag abends da. Wir haben dann abgesprochen, dass wir abends gemeinsam kochen und WG-Essen machen, einmal wir und einmal die beiden, abwechselnd halt. Es waren wirklich ein paar nette Abende. Olga hat sich daran nicht beteiligt, sodass wir mit den beiden allein die Abende verbrachten. Am Donnerstag, es war unsere zweite Arbeitswoche, vielleicht erinnert ihr euch, es war die Woche in der wir an die 50 Dollar Stundenlohn erarbeitet hatten und dementsprechend müde waren, kamen noch Freunde von Peter für einen Umtrunk vorbei. Ich war bereits im Bett, Michi wollte sein Bierchen noch leer trinken und saß schon im Pyjama auf dem Sofa als die Freunde aufgetakelt wie bei ner Hochzeit hereinspaziert kamen. Michi fühlte sich nicht wirklich wohl und beeilte sich dann auch schnell ins Bett zu kommen. Wir hörten sie noch etwas lachen und Wein trinken, wir waren jedoch echt müde und sind dann auch direkt eingeschlafen. Peter entschuldigte sich am nächsten Tag, wir versichertem ihm jedoch, dass es kein Problem gewesen ist. Kam ja nicht jeden Tag vor und die Freunde wollten sich verabschieden, da sie in eine andere Stadt ziehen würden. Er sagte auch, dass sie um 24 Uhr im Bett waren, er musste am nächsten Tag ja auch arbeiten (es waren seine ersten paar Tage nach dem Unfall).

Die Freakshow

Am Freitag nach der Arbeit waren wir richtig am Arsch. Sorry, aber es beschreibt genau unseren Zustand: wir sind täglich fast 20 km gelaufen… Das heißt mit uns war nicht mehr viel anzufangen. Wir wollten ein Bier trinken, ein Film schauen und ins Bett. Olga war ausgegangen und Kimberly kam am frühen Abend vorbei, die beiden verschwanden in seinem Zimmer für ne Weile und verließen dann das Haus mit ner Flasche Hochprozentigem unterm Arm. Sie baten uns noch auf den Hund von Peters Mutti aufzupassen, der ab und an da war, wenn Peters Mum geschäftlich unterwegs war. Der kleine Kerl ist richtig toll, sodass wir sofort zusagten und einen Abend kuschelnd mit Hund auf dem Sofa verbrachten. Wir sind dann um halb zwölf ins Bett gefallen. Einige Minuten später hörten wir, dass Peter zurück kam und weitere Stimmen. Wir dachten: na toll schon wieder ne Party. Wir waren richtig fertig und wollten einfach nur schlafen, ich zog mir die Decke über den Kopf und versuchte zu schlafen. Es war ein sehr unruhiger Schlaf, da es immer wieder sehr laut war und ich immer wieder aufwachte. Um halb vier wachte ich wieder auf, keine Ahnung ob durch Geräusche, auf jeden Fall merkte ich, dass ich pinkeln musste. Die Party war im vollen Gange, man hörte verschiedene männliche Stimmen und Kimberly, Gläser klirren. Ich war mir noch unschlüssig ob ich warten sollte, ich hatte eigentlich keine Lust in meinem Schlafanzug in die Party zu platzen, denn um auf Toilette zu kommen, musste ich definitiv an der Meute vorbei. Während ich noch überlegte, was ich tun würde, wurde es unter den Feiernden lauter. Plötzlich hörte ich Peter brüllen: Verlass mein Haus! Verlass mein fucking Haus!“ (naja auf englisch halt). Und auch Michi erwachte. Es entstand eine Rangelei, wir hörten getrampel auf dem Fußboden und wie jemand gegen die Zwischentür, die die Küche/Wohnzimmer von unserem und Olgas Zimmer abtrennt, knallte. Peter rief, er solle aufhören, da er eine Schädel- und Schulterfraktur habe. Daraufhin hörten wir schwere Schritte weg von der Zwischentür hin zur Hintertür des Hauses. Diese wurde mit einem lauten Knall zugeschlagen. Unser Zimmer geht in Richtung Vorgarten raus, dort ist überall Schotter, sodass wir hörten wie jemand auf dem Schotter lief, jedoch nicht weg vom Haus, sondern zur Vordertür. Dort angekommen gab es einen lauten Knall und das Geräusch von splitterndem Glas. Die Vordertür ist aus Holz, hat aber mehrere große Fensterelemente. Eigentlich besteht sie mehr aus Glas, als aus Holz.

Das war dann auch der Moment als wir aufsprangen. Michi war total geladen und ist imposant in den Raum gestürmt und hat gerufen, was zur Hölle hier eigentlich los ist (auch auf englisch). Kimberly stand in dem kleinen Gang vor der Haustüre, überall Glassplitter und redete auf einen Typ an der Tür ein. Außerdem war da noch ein fijianischer Kerl, der die Glasstücke aufsammelte und versuchte aufzuräumen. Ich fand es echt schwierig die Situation einzuschätzen, da einer der Kerle wohl anscheinend ja ziemlich aggressiv war und die Tür eingetreten hatte und nun überall Glassplitter lagen, ich versuchte erst mal Michi aus der Situation etwas weg zu holen. Dann fragten wir Kimberly was hier eigentlich los sei. Ich kümmerte mich parallel um den Hund, der völlig verängstigt und zitternd auf dem Sofa stand, in sicherer Entfernung. Kimberly sprach mit uns das erste mal komplett nur in Deutsch und das mehr als einfach nur gut. Wir wussten nicht, dass ihr Deutsch auf so einem Niveau ist! Auf jeden Fall erzählte sie uns, dass Peter sie betrogen hätte, er manchmal scheiße ist und deshalb der eine Typ die Tür eingeschlagen hat. Das machte für uns alles überhaupt keinen Sinn. Außerdem erzählte sie uns, dass Peter die Männer in einer Kneipe an diesem Abend kennen gelernt hatte. Sie war bereits im Bett und diese hätten sie aus dem Bett geholt. Allerdings hatte sie nicht wie wir einen Pyjama an, sondern war noch in Jeans und Bluse, was irgendwie auch nicht zusammen passte. Peter war zu dem Zeitpunkt nicht zu sehen. Kimberly diskutierte weiter mit dem Typ an der Tür, der ein paar Minuten nachdem er die Tür eingeschlagen hatte, fragte, ob ER das gewesen sei. Irgendwann kam die Polizei (wir erfuhren später, dass Peter sie angerufen hatte) und Peter sprach mit ihnen draußen im Vorgarten. Kimberly versteckte sich hinter der Tür, sie wollte offensichtlich nicht mit der Polizei reden. Aber Peter holte sie irgendwann, damit sie mit der Polizei redete. Der Fijianer war immer noch damit beschäftigt aufzuräumen und wollte die geladene Atmosphäre etwas entspannen, indem er immer wieder sagte, relaxt Leute und versuchte Scherze zu machen. Allerdings hatte er echt Mühe damit, da er selber absolut betrunken war. Irgendwann war die Polizei weg, Peter war ziemlich angepisst und sehr betrunken. Wir versuchten nach dieser Aufregung etwas Ruhe rein zu bringen und machten Kaffee. So saßen wir mit Peter, Kimberly, dem Fijianer und einem Kerl, der draußen war und den wir davor noch nicht gesehen hatten (wir nennen ihn John), zusammen am Esstisch. Die Männer allerdings entschieden sich neben dem Kaffee weiter Rotwein zu trinken und boten uns auch etwas an. Wir fanden das echt so unfassbar schräg, weil wirklich alle, vor allem Peter, suuuuuuuuuper betrunken waren und für unser Verständnis das der Moment gewesen wäre eine Party aufzulösen, alle nach Hause zu schicken und ins Bett zu gehen. Naja dem war nicht so. Das führte dazu, dass ständig ein volles oder fast volles Glas Rotwein beim Gestikulieren oder beim Versuch es zu greifen oder bei was auch immer umfiel. Der Fijianer war fast durchgängig damit beschäftigt die Sauerei aufzuwischen. Wir versuchten herauszufinden ob der Typ von der Polizei mitgenommen wurde, das bejahte Kimberly. Die ganze Situation war echt schwierig durchzusteigen, schon bei deutsch sprechenden Betrunkenen ist es ja fast immer ne anstrengende bis aussichtslose Sache eine zusammenhängende situationserklärende Geschichte herauszuhören. In Kiwi-Englisch war das nachts um 5 ne wirklich unmögliche Nummer gewesen! Das Einzige was wir irgendwie wahrnahmen war, dass Kimberly und Peter sich mehr oder weniger ignorierten, John immer wieder zu Peter sagte, er müsste Kimberly mehr respektieren. Er wurde dann irgendwann gebeten zu gehen, von Peter und Kimberly, das dauerte jedoch ne Weile, da er sich erst noch von Kimberly mit einer Umarmung verabschieden wollte (diese verzog angewidert das Gesicht und versuchte ihn abzuschütteln) und dann ein paar mal wieder zum Haus zurück kam, unter seltsamen Vorwänden. Dem Fijianer wurde angeboten auf dem Sofa zu schlafen. Davor machten jedoch Peter und er noch eine weitere Flasche Wein auf. Ich glaube, als wir dann alle im Bett waren, war es 6 Uhr morgens. Peter hatte wohl im Laufe des Abends sein Feuerzeug verlegt, sodass er seine Zigaretten an der elektrischen Spiralherdplatte anzündete. Glücklicherweise musste Michi nochmal auf Toilette und hat gesehen, dass er bei seiner letzten Zigarette wohl vergessen hatte die Herdplatte auch wieder aus zu machen. Das wäre ja großartig gewesen. Nicht nur Tür kaputt, sondern noch die ganze Bude abgefackelt! Um ca. 9 hörten wir bereits, wie die Vordertür etwas lauter zugemacht (nicht so geknallt wie in der Nacht zuvor, aber es war eben laut genug zum aufwachen) wurde und hörten, wie jemand auf dem Schotter vom Haus weglief. Ich war völlig entnervt, nur ein paar Stunden Schlaf, außerdem konnte ich nach der ganzen aufwühlende Geschichte auch nicht direkt einschlafen und jetzt sind die schon wieder wach? Ich hab dann gehört, wie Peter und der Fijianer sich unterhalten und auch gelacht haben und es wurde abgespült. Kurz danach hörten wir wieder die Haustür und wie Peter mit seinem Auto weg fuhr. Dann war es still im Haus. Wir beschlossen aufzustehen und uns ein gutes Frühstück nach der Nacht zu gönnen. Da wir von Olga nichts gesehen und gehört hatten und sie auf keinen Fall bei dem ganzen Lärm der vergangenen Nacht nichts mitbekommen haben kann, lag die Annahme nahe, dass sie die Nacht nicht im Haus verbracht hatte. So war es dann, in ihrem Fall glücklicherweise, wie sich später herausstellte auch. Wir genossen dann unser Frühstück, ließen die Nacht Revue passieren und dachten zu diesem Zeitpunkt die Geschichte wäre geschrieben. Hahaha, da hatten wir uns sehr getäuscht. Während wir noch am Frühstückstisch saßen, mit Blick auf die kaputte Tür (es war im übrigen echt kalt dadurch in der Bude), kam Peters Mutti vorbei. Sie erzählte, dass sie gleich einen Termin mit einem Glaser habe, der sich die Tür ansieht. Der Glaser hat dann nur ein Brett drüber geschraubt und wollte dann Anfang der nächsten Woche kommen, um neues Glas rein zu machen. Die Mutti hatte sich dann nach uns erkundigt, wie es uns geht. Wir haben ihr dann ein bisschen von der Nacht erzählt. Sie war sehr schockiert, anscheinend hatte ihr Peterchen nicht so viel davon erzählt. Der Knaller war jedoch, als sie sagte, er sei bei ihr zuhause und mache ein Nickerchen. Der Kerl ist über 30 Jahre alt und schickt seine Mami um seinen Mist von der Vornacht auszubaden? Die dann auch noch etwas aufräumt nach der rauschenden Party? Michi und ich waren echt baff. Und ehrlich gesagt auch echt sauer. Unser Vermieter schmeißt ne Party, die sowas von aus dem Ruder läuft, wir sitzen in unserem Pyjama verschlafen inmitten dieser Freakshow und haben bestimmt die schrägste Nacht unseres Lebens und dann haut der Herr ab, um bei Mami seinen Rausch auszuschlafen und uns in der kalten Bude hocken zu lassen, übermüdet!!!!???? Ich war richtig sauer! Naja Mutti kam dann noch n paar Mal an dem Tag, jedoch war das Ganze immer noch nicht beendet. Nein, wo denkt ihr hin. Zwischendrin, also irgendwann nach dem Frühstück, klopfte es an der Tür. Als ich aufmachte standen da zwei Polizisten in Uniform. Mein erster Gedanke war, sie kommen wegen der Tür und der Geschichte in der Nacht. Sah auch erst mal danach aus, als sie nach Peter fragten. Wir erzählten ihnen, dass er bei seiner Mum sei. Als sie nach der Adresse fragten, mussten wir passen, aber wir boten ihnen an, seine Handy Nummer zu geben. Wir baten sie rein. Michi musste sich dann erst mal ausweisen, damit sie sicher waren, dass er nicht Peter ist. Dann fragten sie uns, ob wir wüssten, warum sie da seien. Wir verneinten. Sie sagten, dass es einen Zwischenfall zwischen Kimberly und Peter an diesem morgen gab und Kimberly Peter angezeigt habe. Ob wir etwas gehört hätten? Wir berichteten, dass wir gehört haben, dass jemand um 9 rum das Haus verlassen hat, mehr haben wir jedoch nicht gehört. Dazu muss man sagen, dass unser Schlafzimmer und Peters Schlafzimmer direkt nebeneinander liegen und die Wände hier sind zwar nicht ganz so typisch Kiwi pappartig, aber natürlich auch nicht so, dass man gar nix hört. Wenn sich die beiden etwas lauter unterhalten haben, konnten wir das nicht unbedingt wortwörtlich verstehen, aber das Geräusch hören. Ich war natürlich sofort alarmiert und hab da nur rausgehört, dass Peter Kimberly etwas angetan hat, weshalb sie jetzt Anzeige erstattet hat. Ich hab direkt gefragt, wie es Kimberly geht und im gleichen Atemzug gemeint, dass ich weiß, dass sie wahrscheinlich nichts sagen dürfen. Er meinte nur, sie sei verärgert im Moment. Die zwei Polizisten sind dann gegangen und wir waren echt betroffen und wussten gar nicht mehr was wir denken sollten. Ist Peter nach dem ganzen Alkohol und den nur wenigen Stunden Schlaf, die ihn definitiv nicht ausgenüchtert haben, aggressiv und gewalttätig geworden? Und wir waren direkt im Nebenzimmer? Aber wir haben auch niemanden schreien hören. Sind wir hier eigentlich noch sicher (wir können unser Zimmer nicht schließen bzw. abschließen, da ist kein Schloss drin, das heißt die Tür ist immer irgendwie nur angelehnt)! Das war bis dato kein Problem, weil wir uns auch nicht unsicher gefühlt haben, aber wir wussten nicht, ob diese Art von Nacht bei Peter öfter vorkommt und wir uns überhaupt noch sicher in dem Haus fühlen können. Am liebsten hätte ich meine sieben Sachen gepackt und wäre direkt mit dem Campervan weiter gezogen. Aber es war zu dieser Zeit nachts sehr kalt und wir hatten ja noch die Arbeit. Außerdem stellen sich so überstürzte Sachen im Nachhinein oft nicht als die besten Entscheidungen heraus. So versuchten wir für uns heraus zu finden, ob es eine gute Idee zu bleiben sei oder nicht. Ein Sache die wir dafür unternahmen war zu klären, wie es Kimberly ging. Nicht nur wegen uns, sondern weil wir uns natürlich erst mal Sorgen machten. Wir wussten ja nicht was passiert war. So schrieben wir ihr über ein soziales Netzwerk eine Nachricht. Sie antwortete nur, dass Peter sie verletzt hätte (nicht näher ob physisch oder psychisch) und dass sie nicht mehr vorbei kommen wird. Naja so viel schlauer waren wir dadurch auch nicht. An diesem Tag kamen Peter und seine Mutter noch ein paar mal vorbei um nach dem Autoschlüssel von Kimberly zu suchen. Sie hatte einen Firmenwagen. Die Polizei hatte uns auch danach gefragt, ob wir in der Nacht diesen Schlüssel irgendwie irgendwo gesehen hatten. Tja der Schlüssel war vom Erdboden verschwunden. Am nächsten Tag kam Peter mit seiner Mutti vorbei und wollte mit uns sprechen. Wir waren noch im Bett und sehr überrascht. Nachdem wir uns angezogen und Kaffee gekocht hatten, kam heraus, dass Peter wohl von seiner Mutti überzeugt wurde, dass er sich bei uns entschuldigen sollte. Er war super gestresst, sprach sehr schnell und seine Mutter, sagte mehrmals, dass er sich beruhigen sollte. Er erzählte dann ein wenig über den Verlauf des Abends aus seiner Perspektive und sagte, er habe Kimberly rein gar nichts getan. Er habe an diesem morgen mit ihr Schluss gemacht und sie kam damit wohl nicht zurecht und habe daraufhin diese Geschichte bei der Polizei erfunden. Wir haben ihm bei diesem Gespräch auch gesagt, dass wir echt ziemlich enttäuscht waren, dass er sich so rücksichtslos uns und der anderen Mitbewohnerin gegenüber verhalten habe. Auch dass er den fremden Mann auf der Couch hat schlafen lassen, Olga war zwar in dieser Nacht nicht da, jedoch wusste keiner davon und wir kannten diesen Mann alle nicht… Das sind alles in der Summe Entscheidungen von ihm gewesen, die seine Mitbewohner irgendwie nicht vorgesehen haben. Wir haben ihn nochmals daran erinnert, dass ER sich dafür entschieden hat, sein neu erworbenes Haus mit anderen Menschen zu teilen… Ich hab das nicht böse oder laut gesagt, aber ich habs halt einfach gesagt. Er hat sich entschuldigt und sah aus, wie ein kleiner Junge, der gerade ausgeschimpft worden war. Puh, naja, es war auf jeden Fall ne schräge Geschichte. Ach ja und er eröffnete uns, dass er bis auf weiteres bei seiner Mum bleiben wird. Wir fanden den Abstand nach der Geschichte erst mal ganz gut. Rückblickend war das auch wirklich hilfreich, um das Verhältnis wieder zu entspannen. Naja, so hatten wir dann erst mal das Haus alleine mit Olga.

Der Anwalt vom Anwalt

Zwei Tage später hat uns Peter nach der Arbeit angerufen und uns gebeten mit seinem Anwalt zu sprechen. Wir waren erst einmal verwundert und wussten das Ganze auch nicht so gut einzuschätzen. Bei der Zusage haben wir uns dann auch erst mal nix weiter dabei gedacht. Der Termin sollte am selben Abend bei uns im Haus stattfinden. Wir schnell nach Hause und duschen. Wir hatten dann eigentlich geplant unser Abendessen nach dem Termin zu essen und haben gewartet und gewartet. Da er dann 20 Minuten über der Zeit war, haben wir gedacht, ok wie immer mal wieder hier in Neuseeland, er sagt er kommt heut, kommt aber morgen… Also haben wir angefangen fertig zu kochen und zu essen. Na klar, und wie das dann so ist, als wir die erste Gabel in den Mund schieben wollten, klopfte es und der Anwalt stand vor uns. Wir hatten zwischen Peters Anruf und dem Termin mit dem Anwalt etwas Zeit über das Ganze nachzudenken und uns ist bewusst geworden, dass das Ganze doch wohl eine hochoffizielle Geschichte wird und wir da grade volle Granate mit rein gezogen werden. Und es kommt dazu, dass wir Gäste hier in diesem Land sind, ihr wisst, das bedeutet immer nochmal eine andere Stellung. Und das Ganze war ja noch nicht mal unser Ding. So hatten wir, bevor wir was zu dem Abend und dem Morgen zu dem Anwalt gesagt haben, erst mal ein paar Fragen: Machen wir damit eine offizielle Aussage? Was bedeutet das für uns, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt? Müssen wir vor Gericht auch eine Aussage machen? Was ist, wenn wir in einem anderen Land als Neuseeland sind? Könnten wir irgendwelche Einschränkungen mit unserem Visa haben, da wir jetzt in eine polizeiliche Geschichte verwickelt wurden? Ich weiß, es mag sich vielleicht etwas überverunsichert anhören, aber wir lieben es wirklich sehr hier zu sein und wollen es so lange wie möglich hier genießen. Und wir wollen die Option haben, Neuseeland wieder zu besuchen wenn wir das möchten. Das alles haben wir dadurch in Gefahr gesehen. Wir haben ja überhaupt keine Ahnung wie das Rechtssystem hier funktioniert und welche Rechte wir als Ausländer haben… Der Anwalt hat uns beruhigt und auch sehr gut darüber aufgeklärt, was eine Aussage für uns bedeuten könnte. Mit unserem Visa kann es nicht in Verbindung gebracht werden, es wird berücksichtigt, dass Englisch nicht unsere Muttersprache ist, und falls wir in einem fremden Land sein sollten, das mit Neuseeland kein Abkommen hat, und der Richter gerne persönlich unsere Aussage hören wollen würde, dann würden wir auf Staatskosten eingeflogen werden und das Hotel würde auch bezahlt. Ich denke es gibt schlimmere Aussichten, als nochmals einen kurzen bezahlten Urlaub in Neuseeland zu verbringen 🙂

So haben wir ihm dann unsere Beobachtungen geschildert, wobei es grundsätzlich ganz gut lief mit dem Englisch, es jedoch auch an der ein oder anderen Stelle wirklich schwierig war das exakte Wort, das die Beschreibung auf den Punkt bringt, zu geben oder zu wissen. Außerdem gab es Missverständnisse mit Doppeldeutigkeiten von Wörtern. Er hat sich das alles notiert. Nach knapp zwei Stunden waren wir alle ziemlich erschöpft und er bat uns noch einmal mit uns einen Termin zu machen, da es so viele Infos seien und er sie jetzt auch nicht mehr aufnehmen kann. Wir hörten nach etwa einer Woche wieder von ihm, da bat er uns sonntags zu sich ins Büro. Er fragte zu ein paar Dingen nochmals genauer nach. Irgendwann schloss er dann die Akte, sagte uns, er wird das Ganze die Tage abtippen und uns dann bitten es zu unterschreiben. Unsere und ein paar weitere Aussagen von Bekannten und Freunden von Peter, die an dem Abend zuvor mit dabei im Pub waren, wurden zusammen getragen und dann gebündelt an die Polizei gegeben. Auch von den Männern, die an dem Abend im Haus waren, wurde versucht Aussagen zu erhalten. Soweit wir wissen hat jedoch keiner ausgesagt. Die gesammelten Aussagen würden mit der Aussage von Kimberly verglichen und die Polizei kann dann entscheiden, ob es Sinn macht, eine weitere Instanz höher zu gehen. Das wäre dann das Gericht mit Schiedsgericht (heißt das so in deutsch??? Naja, eine Jury, die dann die Glaubwürdigkeit und die Schuld der Beteiligten einschätzt). Ich weiß nicht ob ich das so hundertprozent wiedergegeben habe, aber ich denke es geht mehr drum, dass man ne grobe Vorstellung bekommt. Die abgetippte Aussage zum unterschreiben haben wir dann erst ein paar Wochen später erhalten. Nach einigen Änderungen haben wir diese dann auch unterschrieben. Das war vor etwa 1,5 bis 2 Monaten. Peter wohnt immer noch bei seiner Mutter. Ein Ergebnis gibt es noch nicht. Ob wir das noch erfahren? Keine Ahnung… Was genau passiert ist? Ja das haben wir uns auch gefragt. Hier die Story:

Die „wahre“ Geschichte, oder zumindest das was uns erzählt wurde, wir waren ja nicht dabei…

Diese Version ist von Peter, wir kennen nur seine:

Peter und Kimberly sind an dem Abend ausgegangen, in einen Pub. Dort trafen sie auf Megan, das Mädel mit dem Peter Kimberly betrogen hat. (Von ihrer Existenz wussten wir bis dato auch noch nix). Das Ganze war wohl auch vor unserem Einzug. Megan war mit ihrem Bruder bei der Party. Kimberly kam mit dieser Situation wohl überhaupt nicht klar und hat Megan lauthals im Pub beschimpft: Schlampe, Hure, ihr wisst schon, weitere nicht so schöne Sachen. Lasst eurer Fantasie freien Lauf. Sie ist da wohl ziemlich aggressiv aufgetreten, wohl auch weil sie schon ziemlich einen in der Krone hatte. Kimberly wollte dann der Situation entfliehen und mit dem Auto (ein Dienstwagen wie gesagt), nach Hause fahren. Davon haben sie Freunde abgehalten und ihr den Schlüssel abgenommen (das ist der wohl vernünftigste Teil dieser Geschichte :-D). Da wohl alle Beteiligten der Party gut im Alkohol standen, war nicht mehr so ganz klar, bei wem der Schlüssel verblieben war. So gab es eine Einschätzung, die auch gegenüber der Polizei geäußert wurde, dass der Schlüssel an Peter weiter gegeben wurde und bei ihm verblieb. Der wusste davon nix und wusste auch nichts anderes. Deshalb die Suchaktion am darauffolgenden Tag. Peter war die ganze Situation im Pub auch zu blöd und er wollte gerne weiter trinken. Deshalb verließ er die Party mit Megan und ihrem Bruder um in sein Haus zu gehen (da wo wir schlafen wollten). Das waren auch die Stimmen, die wir hörten als wir erst kurz im Bett waren. Dann tauchte Kimberly auf und legte wohl eine Szene hin, sodass Megan und ihr Bruder entschieden zu gehen. Peter und Kimberly hatten einen Streit und Peter sagte ihr: Ich gehe jetzt in die Stadt ins Pub, wenn ich wieder komme, bist du weg! Das hat er dann auch gemacht. Dort im Pub lernte er die drei Männer kennen und lud sie spontan ein, bei sich zuhause (wo wir immernoch schliefen) weiter zu trinken, ist ja deutlich günstiger als in der Kneipe. Kimberly hielt nix von Peters Anweisung und blieb einfach im Haus, bombardierte ihn mit Nachrichten und Anrufen auf dem Handy. Als er dann mit den Männern im Haus ankam, warf Kimberly schnell das Thema in die Runde, dass Peter sie betrogen habe. In dieser schrägen Therapierunde wurde dann von den drei Männern festgestellt, dass es dafür eine Lösung ihrer Beziehung gibt: Kimberly hat einfach einen Freibrief und kann ja einfach auch mit einem anderen Mann schlafen. Dann seien sie quitt. Und ach welch Überraschung: gerade seien ja auch drei zur Auswahl… Ihr könnt euch vorstellen, so oder ähnlich schräg wird das gewesen sein. Auf jeden Fall war der eine der nicht gehen wollte, John, ganz angetan davon, dass Kimberly den Freibrief mit ihm haben könnte. Peters Standpunkt dazu war: schlaf mit wem du willst, nur nicht in meinem Haus. Ab hier wird es noch konfuser: Ich könnte mir vorstellen, vor allem der Alkohol aber auch die Aussicht auf möglichen Sex hat die Männer ein wenig gaga gemacht. Auf jeden Fall waren sie mit Peters Aussage nicht so einverstanden und haben darüber diskutiert. Der Freund von John, war dann derjenige der angefangen hat Peter anzuschreien und auf ihn los zugehen, als Peter ihn rausschmeißen wolle. Er wollte wohl seinen Freund beschützen, weil er fand, dass Peter so nicht mit ihm sprechen dürfe. Keine Ahnung. Dann wie gesagt, gab es diese Rauferei, der Typ hat dann von Peter abgelassen, ist zur Hintertür raus und hat das Glas der Vordertür eingetreten. Den Rest kennt ihr ja bereits.

Hier anzumerken ist: Peter hatte die Polizei gerufen, um den Fenstereintreter abholen zu lassen. Er hat jedoch bei dem Anruf gesagt, dass jemand in sein Haus einbrechen wolle. Als die Polizei kam und raus kam, dass die Männer von ihm in sein Haus zuvor eingeladen wurden, meinten sie, Peter hätte eine falsche Angabe gemacht und ein Einbruch höhere Priorität hätte als eine Sachbeschädigung, oder so ähnlich. Sie haben sich auf jeden Fall verarscht gefühlt und das war der Grund, warum Peter Kimberly bei dem Gespräch mit der Polizei dazu geholt hat. Diese hat dann Peter einfach weg geschickt und allein mit der Polizei geredet. Die Polizisten sind dann kurze Zeit später weg gefahren, übrigens ohne den Typ mitzunehmen. Peter hatte als die beiden zu Bett gingen das Thema nochmal angesprochen, er hatte mitbekommen (trotz Alkohol), dass da wohl was schräg gelaufen ist, sodass er Kimberly gefragt hat, ob der Typ wirklich mitgenommen wurde, so wie sie es zuvor uns allen erzählt hat. Sie hat das dann verneint. Er wollte wissen, was sie zur Polizei gesagt habe. Sie wollte erst nicht weiter darüber reden, sagte aber schon sowas wie, dass sie ihnen gesagt habe, dass Peter einfach sehr betrunken sei und das Ganze nicht mehr so peilt. Sie wollte aber nicht wirklich was darüber raus lassen und sagte, sie wolle schlafen. Am nächsten Morgen habe er ihr dann gesagt, dass die Beziehung nicht mehr funktioniert, er Schluss macht und sie nun seine Sachen packen soll. Das hat sie nicht getan, sodass er ihre Sachen zusammen gepackt hat und vor die Tür gestellt hat. Weil sie nicht raus gehen wollte, habe er sie am Rücken aus der Tür geschoben und diese geschlossen. Was jetzt natürlich ganz genau vorgefallen ist, wissen wir nicht, wir waren nicht dabei. Wir werden uns auch kein Urteil darüber erlauben. Wir denken, die Wahrheit liegt da irgendwo dazwischen. Kimberlys Aussage bei der Polizei soll sich in verschiedenen Punkten sehr widersprechen.

Für uns war diese Geschichte die schrägste Nacht in unserem Leben. Für Peter ein riesen Rattenschwanz, der sich da bisher immer noch zieht und wenn es richtig blöd läuft, auf Lebzeiten ein Makel in seinem Lebenslauf bleiben wird, da er seinen Job verlieren kann und nie wieder als Anwalt arbeiten kann. Wir haben uns gefühlt als wären wir mitten in einer Daily Soap im Fernsehen: Peter und seine Flatmates oder Gute Zeiten, schlechte Zeiten in Neuseeland. Haha.

Auf Jobsuche in einem fremden Land

Aufgrund unseres Visums ist es uns möglich, eine bezahlte Arbeit anzunehmen. Alles, was wir dafür benötigen, wie Steuernummer und ein funktionstüchtiges Neuseeländisches Konto hatten wir bereits erledigt. Also konnten wir direkt loslegen. Julia hatte unsere Lebensläufe, die wir in einer Doppelstunde noch in der Sprachschule in Auckland angefangen hatten, bereits vor einigen Wochen in Englisch erstellt und von Lea nochmal auf Herz und Nieren prüfen lassen. Wann schreibt man schon mal sowas in Englisch? Wir druckten uns ein paar Kopien davon aus und dann gings los. Da wir noch kein Internet in dem Haus hatten, das wurde erst Mitte der Woche installiert, gingen wir in die Bibliothek, um dort nach Stellen zu suchen. Wir klapperten mehrere Portale ab und kamen zu folgendem Ergebnis: Ein Jobportal extra für Backpacker bietet in unserer Region nur Jobs fürs Pruning auf einem Weinfeld an, sprich mit ner Großen Astschere die Pflanzen beschneiden… schwere körperliche Arbeit. Und die Stellen waren auch nur für Männer ausgeschrieben. Die anderen Portale hatten „richtige“ Jobs im Portfolio. Und auf die bewarben wir uns. Einmal als Küchenhilfe in einem Altersheim, bei sämtlichen Schnellrestaurants wie McD, BurgerKing, KFC etc., bei einer Autovermietung, Initiativbewerbungen in sämtlichen Weinfabriken und Fischfabriken.

Die vielversprechendste Stellenausschreibung war die im Altersheim. Also sind Julia und Ich schön mit unseren Lebensläufen hingefahren. Wir sind direkt zur Heimleitung, haben uns kurz vorgestellt, überreichten unsere Lebensläufe und sagten, dass wir Interesse an der Küchenhilfestelle haben. Sie sagte gleich, dass es nur eine Stelle gibt und wir sagten, ja das wissen wir, aber vielleicht gibt es ja noch irgendwas anderes. Sie schaute über Julias Lebenslauf, entdeckte das Masterstudium und war gleich beeindruckt, und meinte, vielleicht gäbe es doch was. Sie würde sich das mal durchlesen und sich melden. Alle anderen wollten grundsätzlich Onlinebewerbungen. Als wir dann ein paar Tage darauf die ersten Absagen bekommen haben (ja, nicht mal die Fastfoodrestaurants wollten uns :-P) schoben wir die Schuld auf unser Visa. Des Weiteren wollten wir ja auch zusammen einen Job. Also bewarben wir uns relativ willkürlich bei allen möglichen Fabriken. Auch da gab es wenn überhaupt nur Absagen. Und dann rief die Frau vom Altersheim an und fragte Julia, wie lange unser Visum geht. Julia sagte es ihr und sie antwortete nur: Oh, nein wir suchen eine Langzeitbesetzung! Peng! Aufgelegt. Nicht mal Tschüss oder Danke… unfassbar. Ja was sollen wir sagen, unfassbar erfolgreich! Im Grunde ist es wie in Deutschland. Von allen Bewerbungen haben wir nur 50% Antwort bekommen und das nur Absagen aufgrund der kurzen Visa. Wir mussten wirklich feststellen, wie sich die Menschen in Deutschland fühlen, wenn sie nicht genügend Deutsch sprechen, kein normales Arbeitsvisum haben oder gar eine Aufenthaltserlaubnis. Wir haben uns echt scheiße gefühlt. Peter, unser Vermieter fragte auch jeden Tag, wie es aussieht und ging uns damit echt auf die Nerven und machte die Lage nicht besser.

An einem Donnerstag Abend sagte er dann, dass wir heute Sturmfrei haben, da er auf das Haus von ein paar Freunden aufpassen muss. Er packte ne Kiste Bier ein und verschwand. Am nächsten Tag erfuhren wir dann, dass er mit einer Schädelfraktur, angebrochener Schulter, Hand und Rippen im Krankenhaus liegt. Wir waren echt geschockt und fragten uns, was passiert sei. Aber dazu später mehr.

Jedenfalls saßen wir am Freitag frustriert zu Hause und beratschlagten uns. Wir sagten uns, wenn es nichts wird mit nem Job, dann ist es so. Wir könnten zur Not eben doch das Pruning auf dem Weinfeld probieren, wenn es nix ist, lassen wir es bleiben. Während Julia sich im Bad fertig machte, bin ich nochmal auf die Webseite mit den ganzen Saisonjobs für Backpacker gegangen. Also in unserer Gegend eben mit der Weinfeldarbeit. Dort stieß ich auf eine neue Anzeige: Lieben sie es den ganzen Tag zu laufen? Super leichter Job etc. Aha, das wäre was für uns. Julia war schon ganz gefrustet, weil wir die Tage eher recherchiert hatten und nicht so viel gelaufen sind. Also ließ ich mir die Stellenbeschreibung durch. Es ging in dem Job darum, die frisch geschnittenen Weinpflanzen anzumalen.

Das klingt doch gut. Viel laufen, körperlich nicht so anstrengend und wir könnten hier zusammen arbeiten. Ich erzählte es Julia ganz aufgeregt und sie sagte, das klingt echt gut, lass uns das probieren. Also bewarben wir uns ganz nach Kiwi-Art… per SMS. Wir sollten kurz sagen, woher wir kommen, wie alt wir sind, ob wir eine eigene Transportmöglichkeit haben und ob wir Bankaccount und Steuernummer haben. Gesagt, getan, kurz darauf kam ne SMS zurück, dass wir wohl die zwei letzten sind, die noch dafür in Frage kommen würden. Der Job sollte schon am Montag beginnen und wir sollten uns noch am selben Tag zwischen 17 und 20 Uhr in einer Bar in einem Hostel vorstellen, damit sie sehen können, das wir Beine zum Laufen haben.

Natürlich sind wir nach typisch deutscher Kultur pünktlich um 16.55 Uhr dort eingetroffen. Unsere Ansprechpartnerin war allerdings noch nicht da. Die kam dann 15 Minuten später und wir gingen ins Büro. Dort hat sie lediglich nach Transport gefragt, bzw. ob wir noch jemand mitnehmen könnten. Da wir den Van ja als Campervan umgebaut haben, verneinten wir die zweite Frage. Dann notierte sie dass wir Füße hatten und sagte, das wohl von den vorerst 8 Stellen wohl doch nur 4 gebraucht werden, und dass eine Stelle definitiv schon an ein Mädel aus dem Hostel vergeben sei. Und das später auch noch mal jemand zum Vorstellen kommt. Wir fragten dann wie viel wir da eigentlich verdienen würden, allerdings konnte sie das nicht genau sagen, aber das ja in Neuseeland der Mindestlohn gilt und wir diesen auf alle Fälle verdienen. Das hat uns als Antwort gereicht. Sie sagte uns, dass sie sich bei uns melden wird.

Also gingen wir hoffnungsvoller Dinge wieder heim.

Am Sonntag bekamen wir dann auch tatsächlich ne SMS, dass wir den Job haben, dass es am Montag los geht und sie sich später meldet, um die Details zu nennen. Jackpot. Natürlich haben wir uns mächtig gefreut. Später rief sie uns an und erklärte uns noch was wir alles mitbringen sollten und wie wir da hin kommen.

Es war ein komisches Gefühl wegen einem Job wieder früh schlafen zu gehen. Das waren wir wirklich nicht mehr gewohnt.

Unser Job als Painter

Als wir Montag um 8 Uhr auf dem Weingut ankamen, staunten wir nicht schlecht. Ein riesiges Gelände. Insgesamt 28 Weinfelder, manche relativ klein, manche riesig. Das größte ist 22 Hektar groß.

Wir trafen uns alle vor dem Weingutbüro und Bert, der Manager begrüßte uns erstmal und sagte, dass wir noch nen Moment warten müssen, bis die Frau mit den Verträgen komme. Also warteten wir eine halbe Stunde. Während dessen fragten wir irgendwann, was wir eigentlich verdienen. Er sagte, etwas von 5,5 Cent pro Pflanze, wenn wir gut und hart arbeiten könnte es sein, dass er uns den Preis erhöht. Allerdings sagte er dass wir den ersten Tag auf Mindestlohn pro Stunde bezahlt werden. Dann kam die Frau mit den Verträgen, wir machten die Verträge klar und lasen alles durch, zwei Stunden später begannen wir auch mit der Arbeit. Franco sei unser Supervisor und zeigt uns das nun. Also sind wir in unsere Autos gestiegen und zum ersten Block gefahren. Vereinfacht erklärt mussten wir die frischen Schnitte der Weinpflanzen mit einer Pflanzenversiegelung anmalen. Diese Farbe wird trocken und härtete so aus, dass es dann wie Gummi ist. Die Schwierigkeit bestand darin, die Schnitte zu entdecken und an diese mit einer etwa 0,5 Literflasche und einem Bürstenaufsatz am Kopf zu kommen. Denn dadurch, dass die abgeschnittenen Zweige noch in dem Drahtgeflecht hingen, war das nicht so einfach. Franco zeigte uns das zwei Minuten, anschließend sollten wir uns jeder eine Reihe vornehmen und das machen. Dann schaute er sich das 5 Minuten an und schaute mal zwischen die Reihen, anschließend fuhr er davon und ließ uns mit unserem Glück allein. Egal, wir machten einfach weiter. Eine junge Frau Mitte Zwanzig füllte ab und an die Farbe wieder auf, ansonsten war nix von jemandem zu sehen. Wir arbeiteten bis 16 Uhr und gingen dann nach Hause. Am nächsten Tag begannen wir da, wo wir aufgehört hatten, allerdings war zu Anfang der Manager Bert da und erklärt es uns nochmal. Diesmal gab es einen Zettel mit einer Tabelle vom ganzen Block. Dort war in einer Spalte die Reihennummer, die Anzahl der Weinpflanzen dieser Reihe und ein Spalte, wo wir unsere Namen reinschreiben sollten. So wusste man, wer welche Reihe gemacht hat. Oben stand 6 Cent, somit wussten wir was wir verdienen. Er betonte nochmal, dass wenn wir gut und hart arbeiten würden, würden wir zwischen Mindestlohn und 20 NZD pro Stunde verdienen.

Um darauf nochmal einzugehen, der Mindestlohn beträgt 15,75 NZD in Neuseeland. Da wir bei der Stückrate nur 6 Cent pro Pflanze verdienen, müssen wir ca. 263 Pflanzen pro Stunde anmalen, um auf den Mindestlohn zu kommen. Wenn wir das schaffen, ist das gut und wir verdienen mehr als Mindestlohn, schaffen wir die Anzahl nicht, muss der Arbeitgeber in Neuseeland auf den Mindestlohn aufstocken. Dazu ist er verpflichtet. Allerdings kann man einem Arbeitgeber nicht verbieten, Arbeitnehmer zu kündigen, wenn er die ganze Zeit aufstocken muss. Also haben wir ganz nach deutscher Manier Gas gegeben.

Wir waren insgesamt elf Leute. Und kaum zu glauben: Wir waren die einzigen Deutschen! Außer uns waren noch drei Engländer, eine Kanadierin, vier aus Uruguay und eine Slowakin (die kam allerdings erst am Donnerstag dazu).

Am Freitag erfuhren wir so nebenbei, dass die Kleine, die die Farbe immer auffüllt auch unsere Supervisorin ist. Sie sagte uns dann, dass wir nicht jeden Schnitt anmalen müssen, sondern nur die größeren. Das machte das natürlich alles etwas schneller.

Bilanz von der ersten Woche: Wir haben jeden Tag unser Pensum geschafft und waren über Mindestlohn. Ich war wohl sogar der schnellste mit knapp 17 NZD pro Stunde. Außerdem erfuhren wir, das wir echt großes Glück gehabt haben, da es echt selten vorkommt, das man vom Weingut direkt angestellt wird und somit einen echt fairen Vertrag erhält. Meistens arbeitet man für einen Vermittler, der dann die Arbeit vermittelt und dafür sorgt, das du in kleinen Transportern zum Arbeitsplatz gefahren wirst, dort von ihm angeschrien wirst und zu guter Letzt noch Geld für seine Dienste in Form von einem prozentualen Anteil deines Gehaltes zahlen darfst. Also halt wie ein Zuhälter eben. Nur legal.

Am Montag der zweiten Woche starteten wir zu siebt. Auf Nachfragen, wo denn die Leute aus Uruguay sind, sagte unsere Supervisorin Nicole, dass die am Samstag ne SMS geschickt hätten, sie würden weiter nach Christchurch fahren. Schade dachten wir, war irgendwie ne lustige Truppe. Mit denen hätten wir sicher viel Spaß haben können.

Des Weiteren sagte Nicole, dass wir immer noch zu langsam seien und wir nur noch Schnitte anmalen sollen, die mindestens die Größe eines 50-Eurocentstück haben. Mit der Information konnten wir natürlich was anfangen. So begannen Julia und ich unsere Technik zu optimieren. Das klappte echt gut. Und auch Nicole checkte die Reihen und war wohl zufrieden.

Was machen wir Deutschen? Wir schreiben uns alles auf. Die Listen fotografierten wir, um sie zu Hause zusammen zu rechnen, um einen Überblick zu bekommen, was wir verdient haben. Was soll ich sagen, es lief einfach. Dadurch, dass wir eine feste Größenvorgabe hatten, war es natürlich auch nicht nötig jede Pflanze anzumalen, sondern manchmal nur jede zehnte. Dementsprechend schnell waren wir auch.

Am Freitag hatten wir dann ne andere Supervisorin. Die ist irgendwie super unsympathisch und machte sich wirklich nicht sympatischer, als sie von ihrem Golfbuggy (die Supervisor fahren immer auf so Quads oder Golfbuggys rum) abstieg und förmlich in die Weinpflanzen rein gekrochen ist, um diese zu kontrollieren. Auf einmal hieß es, wir würden zu viele vergessen. Egal, die Geschwindigkeit behielten wir bei, Freitag Nachmittag kann die damit net kommen.

Als wir dann zu Hause unsere Reihen zusammenrechneten wurde uns ganz anders. Wir haben so viele Pflanzen gemacht, dass jeder von uns einen Stundenlohn von etwa 50 NZD gemacht hat.

Wir fragten uns, ob sie uns das bezahlen würden. Aber wir sagten uns dann, warum nicht, ist doch nicht unser Problem, wenn sie dann plötzlich am Ende der Woche feststellt, dass unsere Arbeit zumindest nach Ansicht der Unsympathischen nicht genau genug sei.

Allerdings gab es eine nicht ganz so tolle Seite des Jobs: Dadurch, dass wir ja immer mehr auf die Flaschen drücken mussten, damit die Farbe auch rauskam, je leerer die Flasche wurde, taten uns die Daumen am Ende der Woche richtig weh. Wir hofften nur, dass wir uns daran gewöhnen würden.

Als wir uns am Montag in die Anwesenheitsliste eintrugen, kam der Manager gleich auf uns zu. Er sagte uns, dass wir letzte Woche vieeel zu schnell waren und ca. 50 NZD pro Stunde verdient hätten. Das ginge aber nicht, sonst würde er Ärger mit seinen Vorgesetzten bekommen und auch Ärger wegen der Steuer. Normal seien max. 20 NZD. Dann sagte er uns, wir sollen wieder alles anmalen. Total frustriert und enttäuscht begannen wir zu arbeiten, aber das ging irgendwie nicht so gut in dieser Gemütsverfassung. Als der Manager dann noch mal zum Block kam und kontrollierte, gingen wir beide unabhängig hin und fragten ihn nochmal, ob es nun ok sei. Lange Rede, kurzer Sinn, unsere Arbeit war gut, allerdings zu schnell. Daher sollen wir nun alles anmalen, damit wir langsamer seien und somit die Zahlen vor seinen Vorgesetzten stimmen (max. 20 Dollar Stundenlohn). Natürlich waren wir zwar enttäuscht darüber, dass wir nicht mehr so viel verdienen konnten, allerdings wollten wir wirklich nicht alles anmalen. Wir ärgerten uns, dass es wieder mal nur um Politik und Wirtschaft ging. So entschieden wir uns eben, extra langsam zu arbeiten. Ich berechnete wie viele Pflanzen wir am Tag zu schaffen haben, somit konnte ich das Tempo bestimmen, um am Ende des Tages etwa 20 NZD pro Stunde verdient zu haben. Das klappte ganz gut, auch wenn wir meist etwas drüber lagen. Übrigens, das Geld für die Woche haben wir im vollen Umfang bekommen. War schon ein nettes Sümmchen 😀

Jedenfalls gab es in der vierten oder fünften Woche keine Arbeit mehr, da wir die Leute eingeholt haben, die die Weinpflanzen schneiden. So arbeiteten wir nur den Mittwoch, und das noch nicht mal voll. Das lag aber auch am Regen, der am Anfang der Woche war, und bei Regen müssen wir nicht arbeiten. Die Farbe würde auch nicht halten. Daher haben wir auch immer Feierabend, wenn es anfängt zu regnen oder müssen eben erst später anfangen, oder eben überhaupt nicht.

Der Manager sagte uns allen, dass wir schneller sind, als er gedacht habe und dass es nun so weiter gehen würde. Wenn wir Glück haben, können wir 2 Tage die Woche arbeiten, bis wir die sogenannten Pruner eingeholt haben, dann hätten wir wieder ein paar Tage frei. Er sagte uns auch ganz ehrlich, dass wenn wir nen anderen Job finden würden, sollen wir besser den nehmen.

Das war natürlich ne harte Aussage. Aber tatsächlich hat die eine Engländerin und die Kanadierin was anderes gefunden (was viel härteres, wie wir später erfuhren), womit wir nur noch zu fünft waren.

Als wir das nächste mal wieder die Pruner einholten, wurden wir allerdings zum Büro zitiert. Ich dachte nun kommt die Kündigung. Wir fuhren zum Büro und der Manager Bert sagte uns, dass er uns eine andere Arbeit zeigen wolle. Er instruierte uns und gab uns eine Tasche, eine Gartenschere und Schutzbrillen. In der Tasche waren außerdem solche Drahtverschlüsse, die man von Gefrierbeuteln kennt. Ihr wisst schon, die zum verzwirbeln. Egal, unsere neue Aufgabe war das „wrappen“. Nachdem die Weinpflanzen maschinell von ihren abgeschnittenen Ästen befreit wurden bleiben nur noch frisch getriebene Äste übrig. Meistens waren es 7, allerdings hatte nicht jede Pflanze so viele. Wir mussten dann drei dieser Äste von allem Krempel, welches an den Ästen noch so rumwuchs, mit der Gartenschere abschneiden und diesen dann um die Stahldrähte wickeln, die durch die Reihen über den Pflanzen gespannt waren. Tatsächlich ist es nicht so einfach, auch wenn die Äste sehr flexibel sind, können diese auch brechen. Sollte das der Fall sein, hat man noch welche als Ersatz. Und zwei Sprösslinge sollte man lassen. Okay es klingt kompliziert, ist es eigentlich auch wenn man es genau nimmt. Jedenfalls hat uns Bert das alles sehr leidenschaftlich erklärt. Wir haben auch gemerkt, dass sein Herz an diesem Beruf hängt. Jedenfalls wurden wir nach Stunde bezahlt, da wir das Pensum beim Wrapping gar nicht schaffen konnten. So als blutiger Anfänger. Jedenfalls gabs nun immer einen Wechsel, mal Painting, mal Wrapping, um den Prunern wieder einen leichten Vorsprung zu gewähren.

Er sagte, wenn wir das so mitmachen wollen, also Painting und Wrappen, wenn nichts zu painten gibt, würde er unseren Vertrag, der bis Ende Juli befristet war, bis Ende August verlängern. Wir sagten natürlich Ja! Im Nachhinein erfuhren wir von der Kanadierin, die wir zufällig im Supermarkt trafen, das Bert ihr sagte, dass wenn sie jetzt geht, er uns anderen verlängern kann, andernfalls gäbe es für uns keine Verlängerung. War irgendwie schon hart das zu hören, vor allem weil ihre neue Arbeit echt richtig mies und hart ist. Danke!

Der erste Block, den wir wrappten, war ein kleiner. Als wir den nächsten begannen, kam er nochmal zu uns, zeigte uns, wie man schneller werden würde und sagte, dass wir mal versuchen sollten auf Mindestlohn zu kommen bei einer Stückrate. Die betrug pro Pflanze 36 Cent. Klingt viel? Nun ja, wenn man bedenkt, dass wir pro Pflanze manchmal 5 Minuten brauchten, relativiert sich das Ganze. Tatsächlich müssten wir 44 Pflanzen pro Stunde schaffen, wir schaffen jetzt gerade mal 26. Als er das gemerkt hat, wars dann auch egal mit der Stückrate 😀

Nach einer Weile painteten wir auch nicht mehr die Pflanzen, die geschnitten waren da wir diese bereits fertig hatten. Es waren schon viele Blocks gewrappt, sodass wir die Schnitte gleich sehen konnten, wir leider nur noch 3 Cent pro Pflanze verdienten, das painten allerdings auch deutlich schneller ging. An die 50 NZD Stundenlohn kamen wir allerdings so leider nicht mehr ran 😉

Allerdings hatte das wrappen auch seine Schattenseiten: Da man die ganze Zeit mit der Gartenschere die Äste und den ganzen Krempel davon abschneidet, macht man nur eine Handbewegung die ganze Zeit. Das Resultat daraus: Eine Überreizung der Nerven in der Hand. Die äußerte sich dadurch, dass die Hand ständig einschlief: Beim Autofahren am Lenkrad, beim Halten in einer gewissen Höhe, oder wo es echt besonders schlimm war: Beim schlafen! Bei uns beiden schlief die Hand nachts ein und fing an weh zu tun, so stark, das wir mehrmals in der Nacht aufwachten. Es war echt zum kotzen. Nach den ersten zwei Mal wrappen versuchten wir mit Übungen aus dem Internet dagegen anzukämpfen, was zum Glück wenigstens etwas gelang. Also freuten wir uns, wenn wir wieder mal painten konnten.

Nachdem wir den zweiten Block auch fertig gewrappt hatten (ich habe in der Zeit insgesamt locker 5 Bücher als Hörbuch gehört (ja wir durften Musik hören während der Arbeit)), mussten wir nicht mehr wrappen. Bert der Manager hatte ca. 30 Wrapper aus Vanuatu eingestellt, die bestimmt 4 mal schneller waren als wir, und somit deutlich billiger. Deshalb haben wir eine neue Aufgabe bekommen:

Nageln!

Was für uns Deutsche ganz witzig klingt (wir verzichteten allerdings darauf, den anderen zu erklären, was man unter anderem darunter verstehen kann), war hier wohl auch eine vollwertige Aufgabe. Julia fand die Aufgabe garnicht gut! Wir wurden mit einem Klauenhammer, Nägeln und zwei verschiedene Arten von Clips ausgestattet, und wurden durch die Blöcke geschickt und sollten die Pfosten kontrollieren, ob an jeder Seite die erforderliche Anzahl an Clips vorhanden war, gerade und funktionstüchtig. Andernfalls sollten wir sie gerade klopfen oder austauschen. Ich fands ok, wieder ein Hörbuch geschafft, Julia fands echt total doof. Vor allem an den oberen Pfosten ist es super anstrengend und kraftaufwendig, die Nägel samt defekten Clip da rauszuhämmern. Und auch wenn Julias Papa nun sehr stolz auf sie sein kann (er ist handwerklich ein echter Meister), sie kann nun hämmern wie ein Dachdecker, hat aber nun einen ausgebildeten Hass dafür entwickelt 😀

Nun ja, soviel erstmal zu der Arbeit an sich. Das arbeiten mit den Leuten war halt auch eine ganz interessante Erfahrung. So viele verschiedene Nationalitäten, so viele verschiedene Arten zu arbeiten. Die einen super langsam und faul, die andern schnell und fleißig. Ich will da garnicht so wirklich drauf eingehen, jedenfalls war es das englische Pärchen, welches mit unter den letzten 5 waren, die aber von Anfang an sehr egoistisch mit allem waren. Was solls, auch wenn es uns manchmal echt genervt hat, haben wir versucht drüber zu stehen und ans Karma zu denken. Wie schon unser indischer Koch aus Whangarei sagte, die haben doch dann das schlechte Karma, nicht wir.

Tatsächlich war es dann auch so. In der letzten Woche fragte das englische Mädel nach weiterer Arbeit und Bert, der Manager, druckste nur rum, von wegen mal sehen und so. Die Slowakin wurde schon früher verlängert und kann da bis April arbeiten. Das wollten wir ja nicht. Vor allem sagte sie uns, dass man ihr sagte, dass das komplette Weingut durchgenagelt werden muss. Wir hatten bisher allerdings nur 5 Blöcke geschafft. Das war für Julia das ausschlaggebende Kriterium. Wir besprachen uns und beschlossen für den Fall, dass er uns verlängern wollen würde, dankend abzulehnen. Auch wenn wir noch einen Monat Zeit hatten, bis es endlich nach Bali in unseren wohlverdienten Urlaub geht, gab es zwei Gründe, warum wir ablehnten. Der erste Grund war, dass wir ja auch hier noch die Gegend richtig erkunden wollten. Der Hauptgrund war allerdings, das Julia echt tierische Schmerzen vom Nageln hatte. Ich hatte ihr schon vorher gesagt, sie soll einfach aufhören, aber sie wollte es noch bis zum Ende durchziehen. Hut ab, eine ehrgeizigere Frau hab ich definitiv noch nicht kennengelernt!

Am offiziell letzten Tag, es war der 1. September, ein Freitag, trafen wir uns morgens vor dem Büro und fragten den Manager was wir heute machen sollten, Painten oder Nageln. Er sagte er weiß nicht genau, er war die letzten Tage nicht da, aber wahrscheinlich Painting. Also packte der englische Dabbes schon Hammer, und Wrappingtasche, in der wir die Nägel und Clips hatten und wollte sie zurückzugeben. Da sagte Julia, dass wir die bestimmt heute noch brauchen werden, da wir schon sehr nah an den Wrappern sind. Also sagte Bert ok, paintet solange bis ihr sie einholt, dann geht ihr halt nageln. Schlecht gelaunt fuhren die Engländer vor, ich musste nochmal mit Bert sprechen, da ich noch was an meiner letzten Abrechnung reklamieren musste, da sie mir zu wenig Pflanzen ausgezahlt hatten. Ach ja rechnen ist wohl auch nicht so einfach bei den Kiwis, nur die Hälfte unserer Gehaltsabrechnungen haben genau gestimmt, allerdings muss man auch sagen, dass es doch öfters vorkam, dass sie zu viel gezahlt haben, das Höchste war mal 81 NZD zu viel, in so einem Fall hält man doch die Klappe und weckt keine schlafenden Hunde, oder?

Jedenfalls sagte er mir gleich, dass er das bei der nächsten Gehaltsabrechnung hinzuaddiert. Anschließend sagte er uns, dass er wirklich sehr zufrieden mit unserer Arbeit war und es echt selten ist, dass unter den Backpackern jemand dabei ist, der die Arbeit auch so ernst nimmt und so gewissenhaft macht. Dann bot er uns an, nachdem er sich nochmal umgeschaut hatte und sich vergewissert hatte, dass die Engländer wirklich schon weg waren, wir können morgen sehr gerne wiederkommen.

Wir bedankten uns für das Lob und sagten ihm allerdings, dass wir gerne weiter Painten würden, allerdings das Nageln weiterhin nicht mehr in Frage kommen würde. Es sei ja nur noch das eine Feld übrig und danach würden wir nur Nageln müssen. Also sagten wir ab. Darauf sagte er das halt ab Oktober wieder viel zu tun wäre und wir willkommen sind, hier zu arbeiten, falls wir nach unserem Baliurlaub hier noch ne Weile in der Region sind. Oder eben in Hawkes Bay, wo die Company auch noch ein Weingut hat. Wir bedankten uns auch für dieses Angebot und sagten, wir werden uns melden falls es so sein sollte. Wir bedankten uns für die tolle Erfahrungen die wir machen durften und auch für das Gelernte. Dann sagte ich, dass wir aber noch nie eine Weinfabrik von innen gesehen haben und fragte, ob es nicht möglich wäre, mal einen Blick in diese reinzuwerfen, vielleicht ähnlich wie eine Tour. Daraufhin sagte er, klar, können wir machen, heute nach der Arbeit! Klasse!

Wir freuten uns schon riesig, allerdings lag ja noch der letzte Tag Arbeit vor uns.

Wir fuhren also zum Block, wo die Engländer schon standen und sich in die Liste eintrugen. Wir trugen uns ebenfalls 8 Reihen ein und los gings. Wie gesagt, wir waren schon relativ nah an den Wrappern dran, sodass nicht mehr viel Reihen übrig waren. Wir brauchten natürlich nicht so lange wie die Engländer mit ihren Reihen, sodass wir mit unseren deutlich schneller fertig waren. Also schauten wir, wie viele Reihen noch übrig waren. Es waren 12 Reihen übrig. Also trugen Julia und Ich uns jeweils 6 ein, somit blieb nichts mehr für die Engländer übrig. Wir haben uns gedacht, heute ist der letzte Tag und nun machen wir das mal wie die immer gemacht haben, jedes mal wenn es nicht mehr viele Reihen zu tun gab, haben sie sich die unter den Nagel gerissen. Wir haben im Gegensatz zu ihnen immer gerecht aufgeteilt, sodass jeder gleichviel Reihen bekommen hat. Asoziales Pack! Naja, er zumindest. Sie war ganz ok. Sie tat uns tatsächlich echt leid, dass sie sich so einen egoistischen Assi angelacht hat. Egal. Ihr merkt, wir waren nicht so gut auf sie zu sprechen. Jedenfalls stapften wir los. Nach dem Painten stand Nageln auf dem Programm. Daher war Julia und ich auch froh, dass wir noch die letzten 6 Reihen machen konnten. Als wir wieder zurück kamen, sahen wir, dass das Auto der Engländer weg war. Dann waren sie wohl doch schon fertig und sind nun zum Nageln gefahren. Als wir mit unseren Reihen fertig waren, fuhren wir zum Feld, wo wir das letzte mal aufgehört hatten zu nageln. Überraschender Weise war da aber niemand und auch keine Nägel und Clips. Also fuhren wir zum Büro um nachzufragen, wo das ganze Nagelzeug ist und wo wir nageln sollten, die Engländer haben wir nämlich nicht mehr gesehn. Im Büro erfuhren wir dann aber von unserer Supervisorin, dass die Engländer nach Hause gefahren sind und ihre Ausrüstung abgegeben haben, da es Ihm nicht gut ging. Ja klaaaaar 😀

Somit war das arbeiten für uns natürlich wieder deutlich angenehmer. Nachdem wir 2 Stunden genagelt hatten, sind wir wieder zum anderen Block zurück gegangen um weiter zu painten, da die Wrapper schon ein ganzes Stück weiter gekommen sind. Ehrlich gesagt mehr als wir dachten. Somit machten wir uns ans painten und überlegten uns, ob wir nicht doch vielleicht den Samstag mitnehmen wollen. Schließlich war das noch ne Möglichkeit gutes Geld zu verdienen. Wir entschieden uns den Samstag zu arbeiten.

Die Weinfabrik

Als Bert der Manager kurz vor 4 zu uns stieß, liefen wir rüber zur Weinfabrik und besichtigten die Fabrik.

Also ich muss schon sagen, wir waren ganz schön beeindruckt. Das tollste an der ganzen Sache war, das sich Bert sogar eine ganze ¾ Stunde für uns Zeit nahm und uns auch alles erklärt und zeigte. Und wenn wir mal ein wenig fragend geschaut haben, hat er es mit einfacheren Worten erklärt. Ach ja und Bilder durfte ich auch machen (->Galerie).

Ich versuche das mal kurz wieder zu geben. Wenn es euch nicht interessiert, einfach ab dem nächsten Abschnitt wieder lesen.

Das Weingut baut Sauvignon Blanc, Pinot Gris, und Chardonnay als Weißweine an, Pinot Noir als Rotwein. Während die Grünen Trauben von Haut und Stielen entfernt werden, gepresst werden und dann in Großen Tanks fermentiert werden, werden die Roten Trauben mit Schale gepresst und fermentiert, da diese Schale dem Wein seine rote Farbe gibt. Die Fermentationstanks, in denen dann der Zucker in Alkohol umgewandelt wird, haben verschiedene Größen. Diese Weinfabrik verfügt über 20.000 Litertanks, 40.000 Liter, 80.000 Liter und einem 160.000 Litertank. Anschließend werden sie (ich glaube aber nicht alle) in Eichenfässern bei gleichbleibender Temperatur gelagert. Interessant war, dass die Winemaker durch die Variation verschieden alter Fässer (Gebraucht oder Neue) den Geschmack sehr beeinflussen können und somit gerade beim Chardonnay verschiedene Weinkompositionen aus dem selben Rohstoff kreieren können. Während der Sauvignon Blanc von der Ernte bis zum fertigen Wein nur 4 Wochen braucht, braucht der rote Pinot Noir wohl zwölf Monate. Nun ja, die für uns beste Information, die wir aus der Führung mitgenommen haben, war eine Information, die wir gerne an euch weitergeben:

Während viele Weine besser werden, je älter sie sind, verliert der Sauvignon Blanc an Geschmack und Qualität, woraus resultiert, dass dieser frisch getrunken werden sollte. Also am Besten so jung wie möglich trinken!!!

Nach der Führung bedankten wir uns nochmal bei Bert und er wiederholte noch einmal das Angebot, dass wir einfach anrufen sollen, wenn wir wieder einen Job brauchen, egal ob hier in Marlborough oder in Hawkes Bay auf der Nordinsel. Wir sagten, dass wir tatsächlich das Angebot annehmen würden, morgen zu arbeiten und fragten ob er auch da sei, was er allerdings verneinte. Aber die anderen alle wären da. Ok sagten wir.

Letzter Tag

Am nächsten Tag fuhren wir wie immer um 8 hin um falls wir eher fertig seien, noch was vom Tag zu haben. Als wir ankamen, waren wir doch ganz schön überrascht. Außer uns und einem anderen Mitarbeiter, der irgendwas mit Traktoren machte, war niemand da. Egal, wir trugen uns in die Anwesenheitsliste ein und fuhren zum Block, wo die Farbe noch von gestern stand. Wir painteten den Block zu Ende und fuhren mit der Farbe zum Office, wo wir den Mitarbeiter fragten, ob er uns die Farbe auffüllen könnte und uns eine neue Liste für den letzten Block ausdrucken könnte. Er bejahte das uns und ging mürrisch los um die Farbe aufzufüllen. Dann sagte er nach ein paar Minuten, dass wir das aber als Arbeitszeit in unseren Leistungsnachweis schreiben sollten, das nachfüllen sei nicht unsere Aufgabe, sondern die unseres Supervisors. Und als hätte sie es gehört, kam Nicole mit ihrem Golfbuggy um die Ecke gebogen. Der Mitarbeiter meckerte Sie gleich an, dass das nicht unsere Aufgabe sei, die Flaschen aufzufüllen. Sie sagte nur, dass sie garnicht wusste, dass wir überhaupt hier waren. Sie füllte die Flaschen auf, während wir uns 4 davon nahmen und schon mal zurück fuhren, sie würde die anderen gleich bringen. Sie kam dann mit den anderen Flaschen. Natürlich war uns das unangenehm, dass sie so angemotzt wurde, obwohl sie nichts dafür konnte. Tatsächlich haben wir in all den 3 Monaten, in denen wir dort gearbeitet haben, nicht einen einzigen Samstag gearbeitet. Des Weiteren war unser Vertrag ja am Tag davor zu Ende. Wir entschieden uns nochmal für die doofe Situation bei Nicole zu entschuldigen und ihr zu sagen, dass Bert uns das gestern angeboten hat. Sie sagte, kein Problem, sie habe Bert gestern nicht mehr gesehn und hat nur vorhin als sie kam gesehen, dass wir uns in die Anwesenheitsliste eingetragen hatten. Darauf hin hat sie uns gesucht, allerdings sind wir wohl aneinander vorbei gefahren (zwischen den Weinfeldern gibt es überall Möglichkeiten, vor allem mit dem Golfbuggy, entlang zu fahren, das heißt man hat viiiiiiele Möglichkeiten von A nach B zu kommen). Wir sagten, dass wir nur noch 64 Reihen zu painten haben und sie nicht mehr kommen brauch, um die Farbe aufzufüllen. Sie fragte, ob wir das alles heute noch machen wollen. Wir bestätigten dies, somit sagte sie nur, dass wir unser Zeug wie Hammer und Gartenschere, Wrappingtasche etc. danach noch ins Office bringen sollen. Wir sagten, dass wir das machen werden und fragten sie, ob sie denn noch da sei. Sie sagte ja, sie wird auf jeden Fall später noch da sein. Somit machten wir uns an die Arbeit. Es ging erstaunlich schnell und locker vonstatten, ohne den Engländer war es sogar richtig angenehm. Nach 5 Stunden waren wir endlich fertig. Wir genossen noch mal die Aussicht und aßen unser Mittagessen. Anschließend machten wir uns auf den Weg ins Office, um unsere Sachen abzugeben und uns von Nicole zu verabschieden. Als wir ankamen staunten wir nicht schlecht: Alles war abgeschlossen und niemand mehr da. Wow, toller Abschied! Irgendwie haben wir uns das doch ein wenig anders vorgestellt. Das ist wohl echt Kiwi-Style! Enttäuscht legten wir alle Sachen vors Büro und fuhren nach Hause. Aber lange waren wir nicht enttäuscht, sondern freuten uns wieder über unsere neu gewonnene Freiheit!